2000minus2

barbara caveng 2000minus2 365 tage 365 funde

1998|99
365 Funde an Regalsystem
12 Bildtafeln Januar – Dezember | C-print auf Aludibond
je 100 x 100 cm

2000minus2
Installationsansicht ‚…und ab die Post‘ | Altes Postfuhramt, Berlin | 1999

[…] „Schön, wie der ganze Schmutzkram dem Betrachter durch die transparente Plastikhaut entgegen glänzt, die ihn vor möglichen Unannehmlichkeiten schützt – ein geschütztes Sehen ohne Ansteckungsgefahr und Geruchsbelästigung. Grotesk das Ganze, wenn der Betrachter „von außen“ schaut. Beschämend, wenn er sich früher oder später an die eigene Nase fassen wird und sich als Teil einer anonymen Gemeinschaft begreifen muss, die achtlos solche Müllmassen erzeugen kann. Ulkig, wie der Unrat als Teil konzeptueller Kunst ganz ohne moralischen Zeigefinger zu bürokratisch sachlicher Aufführung kommt.“

Ulrich Puritz |Der Betrachter ist in Arbeit  | Katalogtext | 2000minus2 | 
365 tage-365 funde | ISBN 3- 932294-40-8

12 Monate | 365 Tage – 365 Funde

Der bevorstehenden Eintritt in ein neues Jahrtausend versetze die Welt im Jahre 1998 in großer Aufregung. Der allgegenwärtige Begriff ‚Millenium‘ schrieb eine Zäsur ins Denken – wie würde es sein, wenn wir in die Umlaufbahn der Virtualität einträten? Rasender Stillstand breitete sich aus. Paul Virilios Schriften begleiteten unsere Entwicklung hin zum flexiblen Menschen.
Ob es Materialität jenseits der Jahrtausendschwelle überhaupt noch geben würde? Wir wählten uns mit ISDN-Modems ins Internet ein und surften mit bei maximalen 64 kBit/s …..
Berlin Ende 90-er Jahre war so zugemüllt wie heute, 2020. Ich begab mich am 1. Januar 1998 auf eine 365-tägige Schatzsuche. Jeden Tag verließ ich das Haus um mich durch den öffentlichen Raum treiben zu lassen. Zivilisatorisches Strandgut zog an mir vorbei, bis ein Objekt angeschwemmt kam, nach welchem ich mich bückte: es konnte ein Notizbuch sein, ein Stift, ein Foto, ein Schnuller, eine Zahnbürste, eine Unterhose…. Ich erledigte sorgfältig meine forensische Arbeit: Fotografierte Fundort und Objekt, sicherte das Stück in einer Plastikhülle, versah diese mit Straßennamen und Datum und archivierte das Ganze fürs Erste in meinem Rucksack.

Am 31.12.1998 hatte ich praktisch eine komplette Haushaltsausstattung zusammen.
Fein säuberlich sortiert und den Monaten zugeordnet, reinszenierte ich die Fundstücke in zwei leerstehenden Berliner Wohnungen als tableaux vivants, Kalendergeschichten des Jahres 1998 .

Für die nachfolgenden Ausstellungen wurden die Objekte des Alltages  versiegelt und an Warenträgern wie im Supermarkt präsentiert –
Die auf dem Boden liegenden Tableaus verleiteten die Betrachter*innen zu einem Spaziergang mit gesenktem Blick in Erinnerung an eine analoge Welt.